Das Reisetagebuch meiner Großmutter

12. Juni - 3. Juli 1954 Nach Lahr

In Lahr - tägliches Leben der Familie

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Als Kuriosum der Westzone gibt es bei Bühlers keinen Bohnenkaffee im täglichen Gebrauch. Dorly schickte für uns zwar stets den Neskaffee mit hoch. Jch erzähle es auch nur,weil doch hier gedacht wird, die drüben würden immer schlemmen. So ist es also nicht. In Bühlers Falle kann ich es umsomehr verstehen, weil Erwin mit dem Herz zu tun hat und das Mädchen ja auch immer mit trinkt. Dorly würde ja bald für 10 ik Kaffee die Woche brauchen.

Nachdem ich also am ersten Morgen Ordnung in meinem Koffer u. Handtasche gemacht hatte, kletterte ich die spiegelglatte Treppe hinunter und begann im Wohnzimmer mit der Zeitungslektüre. Das war für uns eine anstrengende Arbeit für die nächsten 14 Tage und ich persönlich war zum Schluss völlig verwirrt. Die Illustrierten sind sehr sensationslüstern u. bei der Masse der Zeitschriften sucht einer den anderen zu überbieten u. alles noch besser zu erzählen u. durch Bilder zu zeigen als der andere. Dorle steckte immer einmal den Kopf herein u. seufzte.

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Der Haushalt läuft wie am Schnürchen, Dorly hat alle Fäden in der Hand u. ich wüsste nicht, was ich hätte bekriteln können. In ihrer Freizeit näht sie noch und bestrickt die gesamte Familie - eine rechte Hausfreu und Kameradin ihres Mannes. Sie wissen beide, was sie aneinander haben! Jch hin in dieser Beziehung recht beruhigt von diesem Besuch heimgefahren. Ich bin natürlich überzeugt,daß Dorly ganz gern auch nachmittag ein bisschen bummeln würde, Kränzchen pp. Sie ist ja an sich ein fröhliches Menschenkind. Aber es ist für sie viel schöner so wie es ist, außerdem kennt sie es ja von zu Hause auch nicht anders und ich freue mich, dass sie so in unsere Fußstapfen getreten ist!

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Wir Leipziger lesen nun mit Inbrunst in den Illustrierten. Dorly kann gar nicht verstehen, was es außer flüchtigem Bilderansehen alles in den Zeitschriften gibt. Sie lesen viele Zeitschriften und ich bedaure, dass sie nicht Zeit haben, uns regelmäßig interessante Ausschnitte zu schicken. (Natürlich auch große Angst!)

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